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Burundi - Annäherungen an ein Armutsland · Teil 2

40 Jahre des Gemetzels

Ohne Zweifel erkennbar ist trotz aller kulturpolitischen Diskussion, dass die Jahre und Dekaden nach der Unabhängigkeit in beiden Republiken, von lang anhaltenden Gewalt-Auseinandersetzungen, Bürgerkriegen und Migrationskrisen gekennzeichnet waren und es in nicht geringen Teilen bis heute sind.

Die 43 Jahre von 1962 bis 2005 lassen sich für Burundi in vier Perioden einteilen, in denen jeweils erbitterte Machtkämpfe unter Parteien und Rebellengruppen sowie ihrer herausragenden Führer tobten.

Zu Beginn, im Übergang von der Monarchie zur Republik, fiel 1961 der Gründer der damals neu gegründeten Partei UPRONA, Prinz Louis Rwagasore, im Amt des Regierungschefs wenige Wochen nach seiner Wahl einem Mordanschlag zum Opfer. Zunächst war die UPRONA weitgehend für alle Bevölkerungsgruppen offen, wandelte sich aber alsbald zu einer extrem Tutsi orientierten Partei. Rwagasore war der Sohn des vorletzten burundischen Königs Mwambutsa IV. Bangiriceng und sollte als Monarch in der konstitutionellen Monarchie und zugleich erster gewählter Ministerpräsident den Weg in die Unabhängigkeit gestalten. Trotz seiner Ermordung war dieser Weg nicht mehr umkehrbar.

Weitere Hutu- sowie Tutsi-Führer kamen in den Übergangsjahren an die Macht und wurden gestürzt oder ermordet. Im Oktober 1965 kam es in diesen wirren Jahren zu einem ersten Hutu-Aufstand mit rund 5.000 Toten. Endgültig abgeschafft wurde die Monarchie durch Michel Micombero (Tutsi), der den letzten burundischen König, Ntare V. Ndizeye, 1966 stürzte, nachdem dieser erst kurze Zeit vorher ebenfalls durch einen Staatsstreich an die Macht gelangt war.

Micombero vereinte die Posten des Staats- und Regierungschefs in seiner Person und im Zuge seiner zehnjährigen Amtszeit eskalierten die Gewalt-Konflikte mit den Hutu-Bevölkerungsteilen zunehmend. Zwischen 150.000 – 200.000 Hutu fielen in der Hoch-Phase dieser bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen in den Jahren 1972 und 1973 zum Opfer. Größere Fluchtbewegungen der Hutu in Richtung Tansania setzten ein. In dortigen Flüchtlingslagern sowie auch innerhalb Burundis formierten sich nun unter der Hutu-Bevölkerung einige bewaffnete Kampftruppen bzw. bewaffnete Flügel von Parteien. Die Ideologie bzw. Interpretation, dass die Tutsi-Repressionen gegen die Hutu ethnisch motiviert seien, griff nun immer mehr Raum und der bewaffnete Kampf war endgültig auf dem Feld der politischen Auseinandersetzungen angekommen.

Militärputsch folgte auf Militärputsch. 1976 durch den Tutsi-Oberst Jean-Baptiste Bagaza, welcher 1987 wiederum vom Tutsi-Major Pierre Buyoya weggeputscht wurde. Letzterer war um Ausgleich mit den Hutu bemüht, doch die Ermordung zweier Hutus im Jahr 1988 machten diese frischen Bemühungen wieder zunichte. Es ereignete sich ein weiterer Hutu-Aufstand und ein neuerliches Gemetzel mit dem Tutsi-Lager. Am Ende waren 24.000 – 50.000 weitere Menschen in Burundi dahingerafft.

Bis hier hin, nach rund 25 Jahren unablässiger Kämpfe und ethnisch-ideologisch zugespitzter Konflikte, wurde eine paritätisch besetzte Einheitsregierung aus Tutsi und Hutu gebildet, die dann unter Buyoya im Jahr 1993 erstmals wieder ordentliche Wahlen zuließ. Als Wahlsieger und neuer Präsident Burundis ging Melchior Ndadaye (Hutu) als Kandidat der Partei FRODEBU hervor, jedoch auch er wurde – nur wenige Monate im Amt – ermordet. Auch diese Mordtat löste erneute heftige Kämpfe unter beiden Bevölkerungsgruppen aus und hatte die Flucht von ca. 300.000 weiteren Hutu in Richtung der Nachbarländer zur Folge.

Im Februar 1994 kam – bis zu seiner Ermordung im April desselben Jahres – Ndadayes Partei-Kollege und Hutu-Politiker Cyprien Ntaryamira an die Macht. Jener saß am 06. April 1994 mit seinem Amtskollegen, dem ruandischen Diktator Juvénal Habyarimana (ebenfalls Hutu), in einem Flugzeug, dass beim Landeanflug auf den Flughafen von Ruandas Hauptstadt Kigali von zwei Raketen zerschossen wurde. Diese erneute Dezimierung afrikanischer Führungspersonen war wenige Tage später der Auslöser und Anlass für radikale Hutu-Gruppierungen das bisher größte Massaker in der Geschichte dieser zwei Länder in Ost-Afrika vom Zaun zu brechen. Rund 800.000 Tutsi und auch gemäßigte Hutu kamen dabei in Ruanda ums Leben.

Nach dem Tod von Cyprien Ntaryamira folgte ihm Sylvestre Ntibantunganya im Präsidentenamt nach und auch er wurde gestürzt – vom ehemaligen Präsidenten Pierre Buyoya im Jahr 1996.

Mit Buyoya und unter Druck der internationalen Gemeinschaft sowie durch Verhandlungen unter Leitung von Nelson Mandela und Tansanias ehemaligem Präsidenten Julius Nyerere kam es dann im Jahr 2000 schließlich zum Friedensvertrag von Arusha und zur Bildung einer Übergangsregierung (2001) unter Buyoya als Tutsi-Präsident und dann gemäß Friedensvertrag ab 2003 unter dem Hutu-Präsidenten Domitien Ndayizeye.


Befriedung ohne Freiheit

Im Jahr 2005 trat dann Pierre Nkurunziza als Kandidat der CNDD-FDD zur Präsidentschaftswahl an. Bei der CNDD-FDD handelt es sich um eine Abspaltung von Teilen der CNDD im Zusammenschluss mit der 1993 gegründeten und Hutu-dominierten Forces pour la Defense de la Democratie (FDD), die der bewaffnete Arm der CNDD-FDD ist.

Nkurunziza trat allerdings nicht zu einer regulären Volkswahl an, sondern im Zuge des Friedensvertrages aus dem Jahr 2000, zu einer Wahl durch die zwei Kammern des Parlaments der bis dahin bestehenden Übergangsregierung. Erst nach einer Wahlrechtsänderung wurde er 2010 für eine Zweite Amtszeit vom Volk gewählt. Wegen dieses Umstands – das die erste Wahl eben keine Volkswahl, sondern lediglich eine Wahl durch das Parlament war – rechtfertigte Nkurunziza seine erneute Kandidatur und Wahl im Jahr 2015 als verfassungsgemäß.

Zwei Amtszeiten sind damals verfassungsrechtlich vorgesehen gewesen. Zweimal durch das Volks, so die Interpretation von Pierre Nkurunziza. Die erste Wahl durch das Parlament käme aus seiner Sicht eher einer Ernennung in krisenhaften Übergangszeiten gleich.

Einige Bevölkerungsteile in Burundi sahen das anders. Es regte sich erheblicher Protest gegen eine dritte Amtszeit Nkurunzizas und so flackerten 2015 erneut schwere Unruhen und Straßenkämpfe auf. Am 13. Mai 2015 kam es gegen Nkurunziza zu einem erfolglosen Putschversuch, der vom Militär unterbunden wurde. Doch wieder wurde eine weitere Flüchtlingsbewegung in Gang gesetzt, die bis heute nicht abreißt.

USAID beziffert 173.000 Menschen, die Burundi seit Mitte 2015 verlassen haben, aber nicht als refugees, sondern als displaced persons eingestuft werden. Das heißt, dieser Personenkreis muss Burundi nicht zwangsläufig in Richtung eines anderen Landes verlassen haben, sondern kann auch innerhalb Burundis andere Regionen aufgesucht haben um Verfolgungen oder sonstigen Gängelungen zu entkommen. Mitte 2018 stellt sich die Binnen-Migrationslage so dar:

428.000 Personen werden als Flüchtlinge in Richtung anderer Länder eingestuft und halten sich vorwiegend in Ruanda, Tansania, der DR Kongo und Uganda auf.

65.000 Flüchtlinge aus der DR Kongo befinden sich in Burundi und 21.000 Burunder werden infolge eines Abkommens der UNO mit Burundi und Tansania vom südlichen Nachbarstaat in die burundische Heimat zurückgeführt. Desweiteren erwartet der Hohe Flüchtlingskommissar der UNO, dass bis Ende 2018 zusätzliche 72.000 Burunder in ihr Land zurückkehren.

Burundi - wenn auch seit gut einem Jahrzehnt relativ befriedet - kommt dennoch nicht zur Ruhe. Und auch die Geber-Länder sind beunruhigt hinsichtlich der wenig kooperativen Zusammenarbeit des Regierungschefs und Präsidenten in Personalunion sowie seines Staatsapparates unter dem Stichwort der Entwicklungszusammenarbeit. Denn ganz nach altbekannten Mustern vieler afrikanischer Führungspersönlichkeiten in der Mitte des 20. Jahrhunderts nach dem Motto „Unser Land bin ich“, neigt auch Präsident Pierre Nkurunziza weiterhin zum autokratischen Despotismus, statt sich in Richtung reformfreudiger und demokratischer Konzepte zu bewegen.

Von seiner Partei hat er bereits den Titel „Ewiger und oberster Führer“ (Imboneza yamaho) verliehen bekommen und statt zugunsten einer demokratischen Auseinandersetzung mit den Oppositionsparteien faire Chancen für alle Beteiligten bei der nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 zu eröffnen, bastelte er jüngst – in eigener Sache durchaus taktisch klug – an der Zementierung seiner Herrschaft auf (fast) Lebenszeit.

Nachdem Deutschland und vor allem Belgien infolge der durch sein Verhalten ausgelösten neuerlichen Unruhen im Jahr 2015 sowie mangelhafter Umsetzungen von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit, ab 2016 mal kurzerhand Fördergelder aussetzten und diplomatische Beziehungen einfroren, schien sich Nkurunziza zunächst in Presseerklärungen und Interviews selbstkritisch an die eigene Nase zu fassen. Insbesondere die Frage nach einer erneuten Kandidatur relativierte er plötzlich in öffentlichen Statements. Nicht er strebe mit aller Macht danach, sondern nur für den Fall der Fälle, dass das Volk dies wünscht, wäre er bereit für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Dazu müsse man das Volk aber befragen.

Und so geschah es dann auch. Während des Jahres 2017, nach allerlei taktischem Hin und Her zum Inhalt und zum Termin einer Volksabstimmung bezüglich der Verfassungsänderung in Sachen Amtszeit der Präsidentschaft, fand die Volksabstimmung dann schließlich am 19. Mai 2018 statt.

73,2 % der Wahlbeteiligten (offizielle Wahlbeteiligung 96,4 %) sagten Ja zu einer Verfassungsänderung, die dem Präsidenten zukünftig nicht nur zwei weitere Kandidaturen ab 2020 für eine Amtszeit von dann jeweils sieben statt fünf Jahren ermöglicht, sondern auch wesentliche Demokratie bildende Bestandteile der seit 2000 geltenden und teilweise in die Verfassung eingeflossenen Arusha-Verträge, einschränken oder gänzlich löschen soll.

73,2 % von 96,4 % Wahlbeteiligten sind in Burundi rund 8,5 Mio. Menschen. Burundi ist ein fast reiner Agrar- und Flächenstaat, nur knappe 1,5 Mio. Menschen von rund 12,0 Mio. Einwohnern leben in Städten oder stadtähnlichen Ballungsgebieten. Etwa 80 % der Burunder (9,6 Mio.) sind in der Landwirtschaft und in, mit der Landwirtschaft assoziierten, Berufen tätig. In der Regel handelt es sich um kleinbäuerliche Familienbetriebe. Eben diese Landbevölkerung hat fast gänzlich mit Ja gestimmt, denn Pierre Nkurunziza inszeniert sich oft und gerne als Freund der Bauern und als Friedenspatron Burundis.

Teil 3 der Artikel-Serie "Burundi - Annäherungen an ein Armutsland" >