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Burundi - Annäherungen an ein Armutsland · Teil 3

Der "Avokado-Präsident"

Einerseits ist es logisch, sich in einem Agrarstaat verstärkt um die bäuerlichen Bevölkerungsteile zu kümmern. Die Landwirtschaft ist Lebensader Burundis; für die Eigenversorgung ohnehin und z.B. im Falle des Kaffee-Anbaus und dem Export von Roh-Kaffee ist dieser Bereich der Landwirtschaft ein wichtiger Devisen-Bringer. Neben landwirtschaftlichen Erzeugnissen hat Burundi auf den Märkten der Welt nicht viel mehr zu bieten. Unter der Erde schlummern zwar einige Rohstoffvorkommen, in lukrativen Mengen, wie z.B. Nickel, aber es hapert mit dem Abbau, weil das industrielle Umfeld fehlt.

Burundi ist ein riesengroßen Selbstversorger-Supermarkt im allerwahrsten Sinne des Begriffs natürlicher Anbau. Man ist notorisch bio, schon allein deshalb, weil man zu arm ist, um Pflanzenschutzmittel aller Art in großen Mengen einzukaufen. Man lebt und liebt die Landwirtschaft, weil die Bevölkerungsmehrheit zur Sicherung des Lebensunterhalts kaum eine andere Wahl hat als die Felder des Landes zu bestellen. Und trotzdem reicht es hinten und vorne nicht für eine kontinuierliche und flächendeckende Grundversorgung der eigenen Bevölkerung, weder auf dem Binnenmarkt, noch beim Import oder durch Devisenerträge durch Exportgeschäfte. Immer wieder müssen westliche Regierungen und zahlreiche Hilfs- und Nicht-Regierungsorganisation zur Seite stehen.

59 Mio. US $ zur Stärkung des Kaffee-Sektors pumpte die Weltbank 2016 ins Land. Einerseits für die Anschaffung von Millionen neuer Setzlinge, um den teilweise zu überalterten Bestand an Kaffee-Sträuchern im Zuge kommender Jahre zu verjüngen bzw. zugunsten der Ertragssteigerung aufzufrischen. Des Weiteren für diverse Verbesserungen von Produktionstechniken allgemein, z.B. Aufrüstung und Neu-Errichtung von Kaffee-Waschanlagen (CWSs, coffee wash stations) sowie auch für Schulungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Agrarwissenschaften. Ein nicht unbedeutender Teil solcher Hilfsgelder dient allerdings auch der reinen Bezuschussung des Nahrungsmittelsektors, um die allgemein sehr prekäre Einkommens- und Ernährungslage der Bevölkerung leicht zu verbessern.

Pierre Nkurunziza hat das gut erkannt mit dem zur Seite stehen. Internationale Hilfsgelder werden gern genommen und - formulierungstechnisch raffiniert – werden teilweise die extern geleisteten Finanzspritzen in regierungseigenen Statements, Wirtschafts- und Haushaltsplänen als Erfolge der präsidialen Regierungs- und Parteiarbeit dargestellt. Geht es aber darum, beim Deal nach dem Mottomore money means more democracy and tranparency, eben diesen innenpolitischen Part der Entwicklungszusammenarbeit durch die burundische Regierung zu erfüllen, herrscht schnell Funkstille in den Regierungs- und Behördenbüros von Burundis Hauptstadt Bujumbura.

Als die Belgier, historisch bedingt weiterhin sehr engagiert in Burundi, 2015 / 2016 infolge der neu aufgeflammten Gewaltakte den Geldhahn zudrehten und diplomatische Vertreter abzogen sowie die eigenen Landsleute dazu aufriefen, Burundi zu verlassen, reagierte Pierre Nkurunziza wie ein eingeschnapptes Kind und konterte mit Beschimpfungen. Die alte Kolonial-Karte ziehend, versuchte er in öffentlichen Statements die Belgier dafür verantwortlich zu machen, das Krieg und Gewalt in Burundi immer wieder aufkeimen; hätten doch die Belgier einst als Kolonialmacht Zwietracht in Burundi gesät, indem sie die Hutu- und Tutsi-Stämme gegeneinander aufhetzten und ausspielten. Nicht die Afrikaner, sondern die Europäer haben die Schädel und Körper der Bevölkerung vermessen und daraus ihre Rassenlehren inklusive allerlei Theorien vom Unter-, Über- und Herrenmenschen entwickelt und kultur-politisch zur Anwendung gebracht.

Kolonialgeschichtlich birgt eine solche Argumentation zwar einige Wahrheiten und thematisiert nicht ganz zu unrecht das Narrativ eines Afrika als Opfer westlicher Ausbeutung und Unterdrückung, aber das präsidial-mediale Ablenkungsmanöver

funktioniert nicht. Die Ursachen und Umstände der großen Zahl an Toten und Geflüchteten in bzw. aus Burundi im Zuge der zurückliegenden Dekaden, geht zu einem gehörigen Teil auf das Konto von Pierre Nkurunziza selbst – und dies nicht erst, seit der ehemalige Rebellen-Führer ab 2005 Präsident ist.

Nkurunziza, der sich in alter Kämpfer-Tradition auch heute noch auf eine spezielle Miliz stützt – die Imbonerakure, offiziell die Jugendorganisation der Regierungspartei CNDD-FDD, ist viel unterwegs in den ländlichen Regionen. Es heißt, er verlagere wichtige Treffen auf Regierungsebene mal raus aus der Hauptstadt Bujumbura hinaus aufs Land. Dort hat man ihn, so wird kolportiert, auch schon oft angetroffen, wie er den Bauern mit Tatkraft beim Umgraben, beim Pflanzen oder beim Pflücken von Bananen hilft. Seine besondere Leidenschaft aber gilt dem Avocado-Anbau, den er auf seiner Farm selbst betreibt, wohl eher betreiben lässt. Seitens der Burunder hat ihm sein Faible für die Avocado, die nach älterem Sprachgebrauch auch Butterfrucht genannt wird, den Spitznamen „amapeter“ eingebracht.

Dazu muss man wissen, dass in der Landessprache Kirundi amata, Milch und amavuta, Butter und auch Bratfett bedeutet. Der Wortstamm amaist also allgemein das Fett oder die Kurzform für Butter. Peter ist klar - die englischsprachige Form des Vornamens Pierre. Wortspielerisch wurde die Silbe ama mit Peter kombiniert, um den Präsidenten damit zu loben – der „ewige Führer“, ein Bauer wie wir. Aber nicht nur deshalb, weil Nkurunziza im Nebenerwerb ein engagierter Landwirt zu sein scheint erfährt er den „Avocado-Segen“ der Landbevölkerung, sondern wegen eines tiefer gehenden Grundes der mit den Lebensmittelkosten in Burundi verbunden ist. Echte Butter ist in Burundi ziemlich teuer und so ist das Avocado-Fruchtfleisch mit seinem ca. 30-prozentigen Fettanteil für die verarmte Landbevölkerung der alternative Brotaufstrich gegenüber der Butter. Direkt vom Feld aufs Brot.

Der Spitzname für den Präsidenten spiegelt also tatsächlich eine ernährungswichtige und ernste Angelegenheit wieder und ist keineswegs als Verspottung miss zu verstehen, sondern eher als eine Art ideologisches Erntedankfest in den Köpfen und Herzen der einfachen Leute. Manch aufgeklärter Städter und sicherlich die Gegner des „Avocado-Präsidenten“, wie er auch genannt wird, dürften allerdings gelegentlich andere Assoziationen hegen. Wie leicht lässt sich doch eine überreife Avocado in der Hand zerquetschen.

Die Verknüpfung von Politik und Scholle, Landwirtschaftskulte in Parteiprogramme einbinden, die Mythologisierung des Landesvaters als dem großen Ernährer des Volkes, der Sozialismus in seinem Lauf, der weder von Ochs’ noch Esel aufgehalten wird – das kommt uns zwischen Berlin, Budapest und Brüssel irgendwie bekannt vor.

David Signer überschrieb seinen Artikel über das Burundi von heute in der Neue Zürcher Zeitung Online vom 21. 10. 2017 mit der Headline „Repression in Burundi: Tropen-Totalitarismus“. Und nennt weiter im Artikel, Burundi eine Art „DDR mit Palmen“. Besser kann man es gegenwärtig nicht zusammenfassen. Bleibt nur noch zu ergänzen, die Stasi heißt in Burundi SNR (Service National de Renseignement).

Eine Randnotiz ist in diesem Zusammenhang abschließend interessant. Der Online-Dienst Bloomberg meldete am 07. Juni 2018, wenige Wochen nach der Volksabstimmung, das Pierre Nkurunziza bereit sei, sein Amt 2020 nieder zu legen. Der Präsident Burundis wird mit den Worten aus einer Fernseh-Ansprache zitiert, dass er ,,willig sei, den neuen Präsidenten, der 2020 gewählt wird, zu unterstützen“ und das „die Verfassung nicht für den Präsidenten allein gemacht wurde, sondern für das Wohlbefinden der Bevölkerung“. Nun gut – eine klare Aussage zu einem Amtsverzicht ist dies nicht. Tritt Nkurunziza 2020 erneut an, so könnte er selbst zu jenem neuen (alten) Präsidenten gewählt werden, den er zu unterstützen gedenkt.